Die Stimme der Mitarbeitenden: Wie Sie Ihren Mitarbeitenden zuhören
In der Welt des Marketings ist es mittlerweile Standard, den Kunden aktiv zuzuhören, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Irma Doze, Mitautorin des Buches „HR-Analytics“, sieht den gleichen Trend nun auch bei den Arbeitnehmern aufkommen. Aber wie hört man seinen Mitarbeitern aktiv zu, und warum ist das so wichtig?

Als die Nutzung von Daten in der Marketingwelt aufkam, konzentrierten wir uns zunächst auf Analysen und Algorithmen. Wir haben Vorhersagen auf der Grundlage von Korrelationen gemacht, zum Beispiel die Korrelation zwischen dem Kauf eines Kochbuchs und Backzubehör. Wenn ein Bol.com-Kunde das eine kauft, wird ihm auch das andere angeboten. Interessant, aber wir sind auch zu den menschlichen Erkenntnissen zurückgekehrt: dem Kunden wirklich zuhören, so dass man weiß, was er erlebt, und man kann ihn berühren. Wir nennen dies die Erforschung der ‚Kundenerfahrung‘ und die Gewinnung von ‚Customer Insights‘. Und damit eine Marke zu schaffen, die das Herz anspricht. Ein Beispiel dafür ist Calvé mit seinen ikonischen Werbeaussagen (einschließlich der jungen Version von Lieke van Lexmond), die unsere Nostalgie ansprechen: „Wer ist nicht damit aufgewachsen?“.
Jetzt beobachten wir den gleichen Trend bei den Arbeitnehmern. Zunächst konzentrierten sich die Arbeitgeber auf die Zahlen, indem sie z. B. Prognosen auf der Grundlage der Korrelation zwischen Fehlzeiten und der Zeit, die jemand an seinem Arbeitsplatz arbeitet, erstellten. Jetzt gibt es mehr und mehr Raum für die andere Seite, nämlich Einblicke in die Mitarbeiter zu gewinnen. Sie versuchen wirklich zu verstehen und zu ergründen, was die Mitarbeiter bewusst oder unbewusst in Ihrem Unternehmen erleben. Erforschen Sie also die Erfahrungen Ihrer Mitarbeiter und sammeln Sie Erkenntnisse über sie. Und warum? Ganz einfach, weil unsere Entscheidungen im Allgemeinen nicht rational sind. Emotionen spielen bei unseren Entscheidungen eine große Rolle.
Monitoring
Um zu verstehen, wie es Ihren Mitarbeitenden geht, müssen Sie sie beobachten – vielleicht denken Sie dabei an Mitarbeiterbefragungen, wie sie viele Unternehmen alle zwei Jahre zur Messung der Zufriedenheit durchführen. Doch diese Umfragen sind oft so umfangreich, dass sie Mitarbeitende überfordern.
In der heutigen schnelllebigen Welt reicht das aber nicht mehr aus. Genauso wenig, wie es reicht, den Tankstand Ihres Autos nur alle zwei Jahre zu prüfen. Auch eine vierteljährliche Pulse-Befragung ist nicht genug. Veränderungen am Arbeitsplatz und in den Arbeitsbedingungen geschehen ständig – die Stimmung Ihrer Mitarbeitenden kann sich schnell ändern.
Wichtiger ist es daher, aktiv und regelmäßig zuzuhören – am besten wöchentlich oder sogar täglich, wie bei Ihren Kunden. So bleiben Sie im ständigen Austausch, stärken die Beziehung zu Ihren Mitarbeitenden und können schnell die richtigen Maßnahmen ergreifen, um Zufriedenheit und Leistung zu fördern. Und wenn etwas nicht stimmt, erfahren Sie es sofort.
Wie hört man aktiv zu?
Genauso wie wir Feedback von Kunden durch E-Mails, Anrufe beim Kundendienst, Online-Bewertungen und Website-Feedback einholen, können Sie auf ähnliche Weise Feedback von Ihren Mitarbeitern einholen. Sie können aktiv Feedback einholen, indem Sie Ihre Mitarbeiter unter vier Augen nach ihrer Meinung zu verschiedenen Aspekten ihres Arbeitsumfelds fragen. Alternativ können Sie Ihren Mitarbeitern regelmäßig, vielleicht jede Woche, die gleichen (kurzen) Fragen stellen. Ein Beispiel hierfür ist das COVID-Check-in mit fünf Fragen, das wir jetzt häufiger sehen.
Idealerweise möchten Sie jedoch die Belastung für Ihre Mitarbeiter so gering wie möglich halten. Dies können Sie erreichen, indem Sie passiv Feedback einholen. Hören Sie sich an, was Ihre Mitarbeiter spontan während Ihrer täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Besprechungen, Coaching-Sitzungen oder Teamsitzungen sagen. Überwachen Sie die Nachrichten, die Ihre Mitarbeiter ins Intranet oder Internet stellen, und das, was sie (anonym) an einen vertraulichen Berater berichten. Mit Text Mining ist es sogar möglich, Stimmungen aus dem E-Mail-Verkehr eines Mitarbeiters zu extrahieren. Das mag zwar nach einem Eingriff in die Privatsphäre klingen, ist aber noch anonymer als eine Mitarbeiterbefragung.
Sie können auch Feedback fördern. Bieten Sie Ihren Mitarbeitern eine Möglichkeit, z. B. eine Vorschlagsbox oder eine Funktion in Ihrem Intranet, über die sie spontanes (und möglicherweise anonymes) Feedback geben können. Sie können Ihre Mitarbeiter auch bitten, sich an einem Forschungsgremium oder einer Mitarbeiter-Community zu beteiligen, wo sie Ideen und Feedback austauschen können.
Closed loop
Achten Sie darauf, dass Sie sich das Feedback nicht nur anhören, sondern es auch aufzeichnen. Daraus leiten Sie Erkenntnisse ab. Zunächst lösen Sie ein Problem für die Person, die das Feedback gegeben hat. Wenn sich jemand über seinen Bürostuhl beschwert, passen Sie ihn an oder bestellen vielleicht sogar einen speziellen Stuhl für diesen Mitarbeiter.
Anschließend kombinieren Sie die von Ihnen gesammelten Daten im gesamten Unternehmen. Stellen Sie fest, dass bestimmte Probleme immer wieder auftreten? Beschweren sich mehr Mitarbeiter über die Arbeitszeiten, die Kaffeequalität oder die Bürostühle? Dann gehen Sie der Ursache auf den Grund. Sind die Stühle für die Mitarbeiter richtig eingestellt? Oder müssen Sie einen anderen Lieferanten finden? Dies ist der so genannte geschlossene Kreislauf.
Möglicherweise können Sie das Problem sofort lösen, indem Sie zum Beispiel neue Stühle kaufen oder auf eine andere Kaffeemarke umsteigen. Das klingt einfach, aber es sind diese kleinen Überraschungen, die eine große Wirkung haben können. Regelmäßige kleine Verbesserungen können eine größere Wirkung auf Ihre Mitarbeiter haben als gelegentliche große Veränderungen.
Vielleicht brauchen Sie auch weitere Untersuchungen. Hier unterscheiden wir zwischen strategischer, taktischer und operativer Forschung.
Strategische Forschung
Wenn Sie durch Monitoring Hinweise auf ein Thema wie Stress erhalten, führen Sie eine gezielte Untersuchung dazu durch – mit klassischen Methoden der Mitarbeiterbefragung. Aber nicht als jährliche Standardumfrage, sondern themenbezogen und zielgerichtet. Auch innerhalb der Community Ihrer Mitarbeitenden lässt sich eine solche Befragung durchführen.
Taktische Forschung
Vielleicht erhalten Sie bei der Überwachung Signale, dass ein bestimmter Prozess in Ihrem Unternehmen nicht reibungslos funktioniert, z. B. der Onboarding-Prozess. In diesem Fall führen Sie Prozessforschung oder Process Mining durch. Sie wollen wissen, wie die ersten 100 Tage des Onboarding-Prozesses verlaufen. In diesem Fall befragen Sie nicht alle Ihre Mitarbeiter nach ihren Erfahrungen mit diesem Prozess. Sie befragen nur die Mitarbeiter, die sich gerade in dieser Situation befinden oder sie gerade abgeschlossen haben.
Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis. Es sind vor allem die jüngsten und extremsten Erfahrungen (sowohl sehr gute als auch sehr schlechte), die langfristig im Gedächtnis bleiben. Das müssen Sie berücksichtigen, wenn Sie Menschen nach ihren Erfahrungen fragen. Wenn Sie eine Woche oder einen Monat zu spät fragen, kann es sein, dass die extreme Ausnahme überwiegt und Sie die tatsächliche (jüngste) Erfahrung nicht messen können.
Operative Forschung
Bei Problemen in konkreten Prozessen – etwa zwischen Führungskraft und Team oder zwischen Abteilungen – empfiehlt sich der Dialog: durch Fokusgruppen, Workshops, digitale Brainstormings (auch anonym) oder Diskussionen in der Mitarbeitenden-Community.
Diese Forschungen sind wertvoll – aber noch wichtiger ist: Sie bringen uns näher an unsere Mitarbeitenden. Wir hören ihnen aktiver zu als je zuvor. Vielleicht entsteht daraus eine Unternehmenskultur, in der Mitarbeitende und Führungskräfte sich bewusst Zeit nehmen, einander wirklich zu verstehen.
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